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FAZ: Kein Wettbewerb in schrumpfenden Branchen?

Von Walther Otremba

Schon Adam Smith, dessen 300. Tag seiner Taufe man in einem Monat feiern wird, hat in seinem berühmten und grundlegenden Werk über die Bestimmungsgründe des Wohlstands der Nationen festgehalten: "Kaufleute sind immer daran interessiert, den Markt zu erweitern und den Wettbewerb einzuschränken." Insofern ist es nicht wirklich überraschend, dass der scheidende Vorstandsvorsitzende der Deutschen Post AG, Frank Appel, in einem großen Abschiedsinterview (siehe F.A.Z. vom 29. April) meint, dass Wettbewerb nur etwas für wachsende Branchen sei. Für den kontinuierlich schrumpfenden Briefmarkt sei das Wettbewerbsmodell dagegen obsolet und solle besser durch eine staatliche Absicherung des postalischen Universaldienstes ersetzt werden. Andernfalls würde dieser notleidend. Ganz aktuell verbindet er diese grundsätzliche Einschätzung mit der Forderung nach einer entsprechenden Ausrichtung der anstehenden Reform des Postgesetzes.

"Hallo", müssten jetzt die Vertreter der Textilindustrie, der Stahlproduktion, der Solarzellenherstellung und bald vielleicht schon die der Wärmepumpenproduktion oder der Automobilindustrie rufen: "Was schlagen wir uns zum Teil seit Jahrzehnten mit der lästigen Konkurrenz herum? Wir wollen abgesicherte Monopole, sonst fallen wir demnächst der staatlichen Fürsorge anheim." Doch gibt es, was Appel als Chemiker und Neurobiologe vielleicht nicht weiß, in der ökonomischen Theorie keinen seriösen Ansatz, der behauptet, Wettbewerb sei nur etwas für prosperierende Branchen. Im Gegenteil: Gerade Wettbewerb kann und soll auch in national schrumpfenden Wirtschaftszweigen für mehr Effizienz sorgen oder im Einzelfall sogar die Renaissance einer Branche bewirken.

Es steht auch nicht im staatlichen Belieben, Wettbewerb nach Belieben an- und auszuknipsen. Gewerbefreiheit ist nach Artikel 12 des Grundgesetzes geschützt, und es bedarf gravierender Gründe, sie einzuschränken, denn auf ihr beruht unsere freiheitliche Wirtschaftsordnung. Appel zitiert im Interview eine aktuelle Veröffentlichung der Deutschen Post AG, nach der die Portopreise in Deutschland im europäischen Vergleich mit am niedrigsten liegen. Zugleich stellt er fest: "Wir sind das einzige Land, das noch einen Wettbewerb hat." Sieht er denn den Zusammenhang nicht? Die Deutsche Post AG ist nur so gut, weil es hier Wettbewerb gibt, während es ihn anderswo nie gab oder er, wie in den Niederlanden, gegen den Willen der Wettbewerbsbehörde durch Fusion beendet wurde! Das hat die PostNL und ihre Aktionäre sehr gefreut.

Und dann zu Appels Sorgen um den regulierten Universaldienst: Dieser macht im Briefbereich nur rund 15 Prozent des Marktvolumens aus. Hier ist die Auskömmlichkeit garantiert, denn die staatlich genehmigten Porti decken alle Kosten, einschließlich der Altlasten aus Zeiten der Behördenpost sowie einen angemessenen Gewinnaufschlag. Wettbewerb gibt es im Übrigen bei den Universaldienstleistungen fast gar nicht. Was soll also passieren?

Die anderen 85 Prozent des Briefvolumens sind Geschäftspost, die keiner Vorabregulierung unterliegen. Hier könnte die DPAG die Preise beliebig erhöhen und ihren beträchtlichen Rohgewinn (Ebit) aus dem Postbereich von mehr als 1 Milliarde Euro jährlich noch weiter steigern. Das tut sie aber nicht. Vielmehr hält sie die Preise mit allen möglichen Rabatten und Sonderkonditionen für bestimmte Großkunden möglichst knapp über - vielleicht auch schon mal unter - den Kosten.

So funktioniert Wettbewerb, der allerdings nach allgemeinen und speziellen Wettbewerbsregeln genau zu beaufsichtigen ist, wenn ein gewaltiger Weltkonzern mit schier unendlicher Finanzkraft gegen einige mittelständische, meist verlagsgebundene, alternative Brieflogistiker antritt.

Was das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz im Moment für das Postgesetz nach seinen Eckpunkten plant, sieht sehr vernünftig aus. Es ist keineswegs so, dass "die Politik die Wettbewerbsförderung in den Vordergrund stellt", wie Appel behauptet. Tatsächlich geht es, wie im Koalitionsvertrag vorgesehen, um "sozial-ökologische Standards" und "fairen Wettbewerb" - man sieht den rot-grün-gelben Dreiklang. Da brennt nichts an, was die DPAG in Angst und Schrecken versetzen könnte.

Man ist ja geneigt, einem scheidenden Spitzenmanager alles Gute für seinen frühen Ruhestand zu wünschen. Aber leider scheint auch sein Nachfolger im gleichen Denken verfangen, das sich nicht scheut, trotz hoher Milliardengewinne nach Monopolschutz oder Staatssubventionen zu rufen. Mir wäre es peinlich, (sicher wider besseres Wissen) so schwach begründete Analysen und Forderungen zu verbreiten.

Walther Otremba ist Vorsitzender des Bundesverbandes Briefdienste.

Quelle: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 06.05.2023 (Seite 23)

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